Nationale Verrechnungspreisvorschriften und internationale Grundsätze

Die Grundlagen der Verrechnungspreise

Teil 2 - Nationale Verrechnungspreisvorschriften und internationale Grundsätze

In unserer Beitragsreihe „Die Grundlagen der Verrechnungspreise“ werden wir in den kommenden Wochen die Grundlagen der Verrechnungspreise näher beleuchten und einen ersten Überblick über das Thema geben.

verständlich. einfach. praxisnah.

Unsere Kurzbeiträge richten sich sowohl an Interessierte mit ersten Berührungspunkten zum Thema Verrechnungspreise als auch an erfahrene Verrechnungspreispraktiker. Nach einem Einstieg in die Grundlagen und Begrifflichkeiten tauchen wir im weiteren Verlauf der Beitragsreihe zunehmend in Details und praktische Implikationen ein und freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.

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Unser heutiges Thema: Nationale Verrechnungspreisvorschriften und internationale Grundsätze

  1. Die deutschen Verrechnungspreisvorschriften

Der nationale Regelungsbereich im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen besteht aus einem Dreiklang an Regelungsvorschriften – Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsgrundsätzen. Während Gesetze und Verordnungen für den deutschen Steuerpflichtigen verbindlich sind, verhält es sich mit den Verwaltungsgrundsätzen anders – doch dazu im weiteren Verlauf dieses Beitrages mehr.

Gesetze und Verordnungen

Das erste Gesetz, das den meisten im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen in den Sinn kommt, ist das Außensteuergesetz (AStG). Das Außensteuergesetz stellt eine Korrekturnorm des nationalen Steuerrechts bei Auslandsbeziehungen dar. Bereits auf den ersten Blick findet sich in § 1 Abs. 1 AStG die Definition des Fremdvergleichsgrundsatzes (den wir bereits im ersten Beitrag dieser Serie behandelt haben).

Das aus sieben Teilen bestehende AStG befasst sich auch mit anderen Themen wie der Wegzugsbesteuerung oder der Hinzurechnungsbesteuerung. Die Verrechnungspreise sind ausschließlich in den §§ 1 und 1a AStG geregelt. Neben den Verrechnungspreisvorschriften des AStG finden sich weitere Verrechnungspreisvorschriften in der Abgabenordnung (AO). Während das AStG die materiell-rechtlichen Regelungen trifft, liegt der Schwerpunkt der AO auf dem Verfahrensrecht. Die für Verrechnungspreise relevanteste Vorschrift findet sich in § 90 AO, der auch in anderen Steuerarten Anwendung findet. Generell befasst sich § 90 AO mit den Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen bzw. seines steuerlichen Vertreters. Die Absätze 3 bis 5 wurden hier ausschließlich für Verrechnungspreise geschaffen und befassen sich mit den Aufzeichnungspflichten, die sowohl die Sachverhaltsdokumentation als auch die Angemessenheitsdokumentation umfassen. Da § 90 AO zwar die Verpflichtung dem Grunde nach regelt, nicht aber den konkreten Inhalt der Aufzeichnungspflichten, gibt es die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GaufzV). Die GAufzV regelt Art, Inhalt und Umfang der Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3 AO. Wer schon einmal das ‚Vergnügen‘ hatte, eine Verrechnungspreisdokumentation zu erstellen, dem werden die Inhalte der GAufzV bekannt vorkommen (wir werden das Thema Verrechnungspreisdokumentation in einem gesonderten Beitrag in der kommenden Woche behandeln).

Eine weitere Regelung mit materieller Relevanz im Bereich der Verrechnungspreise ist § 162 AO über die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen als Rechtsfolge bei Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 90 AO. Diese Vorschrift findet auch in den anderen Steuerarten Anwendung.

Verwaltungsgrundsätze

Zieht man Parallelen zu anderen Bereichen des Steuerrechts, so zeigt sich schnell, dass Gesetze und Verordnungen regelmäßig nicht ausreichen, um die Besteuerungsgrundsätze eindeutig und vor allem umfassend festzulegen. Es bedarf daher einer weiteren Konkretisierung der Regelungen zur Einkünftekorrektur.

Dies geschieht im Bereich der Verrechnungspreise durch sogenannte Verwaltungsgrundsätze, die das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Rahmen von BMF-Schreiben an die obersten Finanzbehörden der Länder erlässt.

Im Jahr 1983 erfuhr die Verrechnungspreiswelt mit dem BMF-Schreiben zu den “Grundsätzen für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen” vom 23. Februar 1983 erstmals eine umfassende Konkretisierung im Rahmen von Verwaltungsgrundsätzen. Diese bildeten bis weit in die 2000er Jahre die wesentliche Diskussionsgrundlage im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen mit Verrechnungspreisbezug. In den Jahren 2005 bis 2018 wurden zahlreiche weitere BMF-Schreiben zu verschiedenen verrechnungspreisrelevanten Sachverhalten und Fragestellungen veröffentlicht (u.a. die „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahestehenden Personen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren)“ vom 12. April 2005 sowie BMF-Schreiben zur Namensnutzung im Konzern oder zu Umlageverträgen).

Am 14. Juli 2021 erfolgte mit den „Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise (Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG)“ eine Überarbeitung, Ergänzung und Konsolidierung verschiedener BMF-Schreiben mit Verrechnungspreisbezug. Eine für die Steuerpflichtigen erfreuliche Entwicklung war dabei die Positionierung des BMF zur Bedeutung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien für die internationale Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes (nähere Ausführungen dazu im weiteren Verlauf dieses Beitrages).

Um den weiteren Entwicklungen seit dem 14. Juli 2021 Rechnung zu tragen, wurden die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise mit dem BMF-Schreiben vom 6. Juni 2023 („VWG VP 2023“) aktualisiert. Konkret wurden die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise als Reaktion auf den neu eingeführten § 1 Abs. 3b AStG und die dadurch notwendig gewordene Neufassung der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) vom 10. Oktober 2022 sowie die Rechtsprechungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zur grenzüberschreitenden Konzernfinanzierung angepasst.

Neben den VWG VP 2023, die sich auf die Grundsätze zur Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG beziehen, existieren derzeit noch die Verwaltungsgrundsätze vom 3. Dezember 2020, die sich mit den Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 90 AO und der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen und Zuschlägen nach § 162 AO befassen.

Nach der Erörterung des BMFs mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise für die internationale Einkunftsabgrenzung nach dem Maßstab des Fremdvergleichs in den Regelungen des innerstaatlichen Rechts und der Doppelbesteuerungsabkommen. Dementsprechend sind die erlassenen Verwaltungsgrundsätze für die Finanzverwaltungen der Länder bindend und finden folglich Anwendung – beispielsweise im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen mit Bezug zu Verrechnungspreisen. Für den Steuerpflichtigen entfalten die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise keine Bindungswirkung, dienen aber als gute Orientierungshilfe, wie die Finanzverwaltung die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes (konkret die Angemessenheitsnachweise) im konkreten Sachverhalt beurteilen könnte.

  1. Internationale Verrechnungspreisgrundsätze (hier: die OECD-Verrechnungspreisleitlinien)

Mit den VWG VP 2023 (ursprünglich bereits in den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise 2021 vom 14. Juli 2021) wurden die OECD-Verrechnungspreisleitlinien („OECD-VPL“) als offizieller Anhang aufgenommen. Die Bedeutung der OECD-VPL für die Prüfung grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen ist in Kapitel II der VWG VP 2023 geregelt. Für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung wird auf die OECD-VPL verwiesen, um eine internationale Ausrichtung und Orientierung an den OECD-VPL zu gewährleisten. Dementsprechend orientiert sich die deutsche Finanzverwaltung im Rahmen des geltenden innerstaatlichen Rechts grundsätzlich an den OECD-VPL. Hinsichtlich der Verrechnungspreismethoden legen die VWG VP fest, dass die Grundsätze des Kapitels II der OECD-VPL anzuwenden sind.

Was macht die OECD eigentlich?

The Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) is an international organisation that works for better policies and better lives. The OECD's goal is to promote policies that foster prosperity, equality, opportunity and well-being for all.

Die OECD arbeitet mit Regierungen, politischen Entscheidungsträgern und Bürgern zusammen, um evidenzbasierte internationale Standards zu schaffen und Lösungen für eine Reihe sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen zu finden. Von der Verbesserung der Wirtschaftsleistung und der Schaffung von Arbeitsplätzen bis hin zur Förderung einer soliden Bildung und der Bekämpfung der internationalen Steuerflucht bietet die OECD ein einzigartiges Forum für den Austausch von Erfahrungen, die Weitergabe bewährter Verfahren und die Beratung bei der Politikgestaltung sowie der Festlegung internationaler Standards.

Warum wurden die OECD-Verrechnungspreisleitlinien eingeführt?

In einer von multinationalen Unternehmen geprägten Weltwirtschaft müssen die Staaten sicherstellen, dass die steuerpflichtigen Gewinne dieser Unternehmen nicht künstlich in andere Steuergebiete verlagert werden und dass die von diesen Unternehmen im jeweiligen Steuergebiet erklärte Steuerbemessungsgrundlage der dort ausgeübten Wirtschaftstätigkeit entspricht. Gleichzeitig ist es für die Steuerpflichtigen von entscheidender Bedeutung, dass die Risiken einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung begrenzt werden. Die OECD-VPL für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen helfen bei der einheitlichen Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, der einen internationalen Konsens für die Bewertung grenzüberschreitender Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen darstellt. Insbesondere für Länder mit einer personell und fachlich weniger gut ausgestatteten Finanzverwaltung helfen die OECD-VPL bei der effizienten Umsetzung der weitreichenden Verrechnungspreisregelungen in lokalen Gesetze und Verordnungen.

Welche Geltungswirkung haben die OECD-Verrechnungspreisleitlinien in Deutschland?

Die OECD-VPL sind nicht verbindlich, sondern stellen lediglich internationale Leitlinien und den Versuch einer internationalen Konsensbildung dar. Um nationale Verbindlichkeit zu erlangen, müssen die Regelungen der OECD-VPL zunächst in nationales Recht umgesetzt werden. Viele OECD-Mitgliedstaaten haben die Grundsätze der OECD-VPL vollständig oder in sehr enger Anlehnung in ihr nationales Recht übernommen. In Deutschland wurde beispielsweise der zunächst international entwickelte dreistufige Dokumentationsansatz (Master File, Local File und Country-by-Country-Report) aus dem BEPS-Aktionspunkt 13 in nationales Recht umgesetzt (vgl. unsere Ausführungen zu § 90 AO i.V.m. der GAufzV).

Weitere internationale Initiativen und Rahmenwerke, insbesondere die Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) der EU, das United Nations Practical Manual on Transfer Pricing for Developing Countries von 2021 (UN Manual) sowie der EU-Richtlinienvorschlag zu Verrechnungspreisen vom 12.9.2023 werden wir in zukünftigen Beiträgen näher vorstellen.

 

In unserem nächsten Beitrag: Die Verrechnungspreisdokumentation

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