Das gemeinsame Projekt der OECD und der G20 gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen multinationaler Unternehmen („Base Erosion and Profit Shifting – BEPS“) und seine Ergebnisse aus dem Jahr 2015 stellen einen Meilenstein in der internationalen Steuerpolitik dar. Zuvor gab es noch nie eine so enge Verständigung über internationale Besteuerungsstandards.
Zusammenfassung und Übersicht der Ergebnisse
Hintergrund des Projekts war die zunehmende Beobachtung, dass multinationale Unternehmen bestehende Besteuerungsinkongruenzen ausnutzen, um ihre Steuerbelastung auf ein Minimum zu reduzieren. Dies führt nicht nur zu Steuerausfällen, sondern auch zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Denn rein national agierende Unternehmen – in der Regel kleine und mittlere Unternehmen – haben diese Möglichkeiten der Steuergestaltung nicht. Damit ist auch der Grundsatz der Steuergerechtigkeit tangiert. Die OECD- und G20-Staaten waren sich einig, dass diese Probleme nur durch international abgestimmte Maßnahmen nachhaltig gelöst werden können. Die Finanzministerinnen und Finanzminister sowie die Notenbankgouverneure der Gruppe der Zwanzig (G20) haben daher die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als internationale Standardsetzerin im Steuerbereich beauftragt, entsprechende Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
Die Ergebnisse sind keine bloßen Absichtserklärungen, sondern konkret umsetzbare Empfehlungen. Die erarbeiteten Empfehlungen umfassen verschiedene Aspekte der internationalen Besteuerung. Übergeordnetes Leitprinzip der Vorschläge ist der Grundsatz, dass die Besteuerung dort erfolgen soll, wo die unternehmerische Tätigkeit und die daraus resultierende Wertschöpfung stattfinden.
Besonders hervorzuheben ist die Eindämmung des schädlichen Steuerwettbewerbs zwischen den Staaten selbst. Zwar gibt es bereits seit 1997 internationale Kriterien zur Beurteilung des schädlichen Steuerwettbewerbs. Diese wurden jedoch seither nie angepasst. Gerade bei den so genannten Patentboxregelungen konnten nun klare Grenzen gesetzt werden, so dass eine bevorzugte Besteuerung nur bei entsprechender wirtschaftlicher Aktivität desselben Steuerpflichtigen erfolgen darf.
Bereits bestehende Grundsätze des internationalen Steuerrechts wurden überarbeitet, um unerwünschte Gestaltungsspielräume einzuschränken. Dies betrifft zum einen die Doppelbesteuerungsabkommen, die neben dem ursprünglichen Sinn und Zweck der Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Zuweisung und Verzicht auf Besteuerungsrechte nunmehr insbesondere auch unter dem Aspekt der Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung konkretisiert werden. Zum anderen geht es um die geltenden Verrechnungspreisgrundsätze (Besteuerung konzerninterner Leistungen). Darüber hinaus wurden erstmals internationale Grundsätze für bestimmte steuerliche Instrumente vereinbart, z.B. für die Eindämmung von Gewinnverlagerungen durch Zinszahlungen (sog. Zinsschranke), für Regelungen gegen hybride Gestaltungen und für die Hinzurechnungsbesteuerung.
Ein wesentliches Ergebnis des BEPS-Projekts ist auch die Verbesserung der Transparenz zwischen den Steuerverwaltungen. Hierzu wurde ein verpflichtender spontaner Informationsaustausch über sogenannte Tax Rulings eingeführt. Auch im Bereich der Verrechnungspreise erhalten die Steuerverwaltungen durch das sogenannte Country-by-Country Reporting einen Überblick über bestimmte Kennzahlen im Konzern (Gewinn, Steuern, wirtschaftliche Aktivitäten).
Die Aktionspunkte im Einzelnen
- Aktionspunkt 1: Adressierung der steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung
- Aktionspunkt 2: Hybride Gestaltungen
- Aktionspunkt 3: Erarbeitung von Standards für die Hinzurechnungsbesteuerung
- Aktionspunkt 4: Verhinderung von Steuerverkürzungen durch Regelungen zur Versagung des Zinsabzugs
- Aktionspunkt 5: Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz
- Aktionspunkt 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch
- Aktionspunkt 7: Aktualisierung des Betriebsstättenbegriffs
- Aktionspunkte 8 bis 10: Aktualisierung der Verrechnungspreisleitlinien
- Aktionspunkt 11: Entwicklung von Methoden und Regelungen, um Daten über Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen zu erlangen
- Aktionspunkt 12: Entwicklung von Offenlegungsregelungen für aggressive Steuerplanungen
- Aktionspunkt 13: Verrechnungspreisdokumentation und Country-by-Country Reporting
- Aktionspunkt 14: Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit in Verständigungs- und Schiedsverfahren
- Aktionspunkt 15: Multilaterales Instrument
Nähere Details zu den Aktionspunkten mit höherer Verrechnungspreisrelevanz
Aktionspunkte 8 bis 10: Aktualisierung der Verrechnungspreisleitlinien
Multinationale Unternehmen (Konzerne, Unternehmensgruppen) sind in einer Vielzahl von Staaten durch rechtlich selbständige Gesellschaften oder Betriebsstätten wirtschaftlich tätig. In diesen Fällen werden auch Leistungen zwischen den einzelnen Mitgliedern des multinationalen Unternehmens grenzüberschreitend erbracht. Um diese grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zutreffend zu besteuern, muss ein sachgerechter Verrechnungspreis ermittelt werden. Der international anerkannte Standard für die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise ist der Fremdvergleichsgrundsatz: Danach sind für Geschäftsvorfälle zwischen verbundenen Unternehmen die Bedingungen (insbesondere Preise) anzuwenden (und der Besteuerung zugrunde zu legen), die bei vergleichbaren Geschäftsvorfällen zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbart worden wären. Damit soll verhindert werden, dass multinationale Unternehmen durch die Festlegung fremdunüblicher Bedingungen, insbesondere durch zu hohe oder zu niedrige Verrechnungspreise, Besteuerungssubstrat willkürlich zwischen Staaten verschieben können.
Im Rahmen der Arbeiten zum BEPS-Projekt wurden die Empfehlungen zum Fremdvergleichsgrundsatz verschärft, um die missbräuchliche Verwendung von Verrechnungspreisen einzuschränken und sicherzustellen, dass die Besteuerung von Unternehmensgewinnen im Einklang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Unternehmen und der daraus resultierenden unternehmerischen Wertschöpfung steht. Ein Schwerpunkt der Arbeiten lag auf der Konkretisierung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien für Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern, bei denen die Ermittlung des fremdüblichen Verrechnungspreises oft besonders schwierig ist. Darüber hinaus wurden die OECD-Verrechnungspreisleitlinien zur Allokation von Risiken und Kapital im Konzern und zur Bestimmung von Verrechnungspreisen für Geschäftsvorfälle, die nicht oder nur selten zwischen unabhängigen Dritten stattfinden, präzisiert. Aus deutscher Sicht ist es wichtig, dass international einheitliche Standards bestehen und die Anwendung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien zu konsistenten Lösungen führt. Nur eine sachgerechte Gewinnabgrenzung nach international einheitlichen Standards gewährleistet internationale Wettbewerbsneutralität und Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Gleichzeitig können Doppelbesteuerungen vermieden werden.
Die zutreffende Besteuerung multinational tätiger Unternehmen kann insbesondere im Bereich der Verrechnungspreise für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen nur gewährleistet werden, wenn den Finanzverwaltungen die hierfür erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen.
Aktionspunkt 13: Verrechnungspreisdokumentation und Country-by-Country Reporting
Im BEPS-Aktionspunkt 13 wurden standardisierte Anforderungen an die Verrechnungspreisdokumentation für multinational tätige Unternehmen vereinbart, damit einerseits die Finanzverwaltungen die notwendigen Informationen erhalten und andererseits die multinationalen Unternehmen ihren Dokumentationspflichten nach einem einheitlichen Standard nachkommen können.
Mit den standardisierten Anforderungen an die Verrechnungspreisdokumentation werden drei Ziele verfolgt: Die multinationalen Unternehmen sollen die Fremdvergleichskonformität ihrer Verrechnungspreisgestaltung nachweisen. Den Steuerverwaltungen sollen die notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden, um ein Verrechnungspreis-Risikomanagement und eine Verrechnungspreisprüfung durchführen zu können. Hierzu wurde ein dreistufiger Ansatz entwickelt, bestehend aus einem Überblick über die Geschäftstätigkeit des multinationalen Unternehmens und seine Verrechnungspreispolitik (Master File), einer länderspezifischen Dokumentation der konkreten Geschäftsvorfälle des Steuerpflichtigen mit verbundenen Unternehmen (Local File) sowie dem sogenannten Country-by-Country Report (CbCR). Ziel des CbCR ist es, allen beteiligten Steuerverwaltungen einen Überblick über die globale Verteilung der Einkünfte und Steuern sowie über bestimmte Indikatoren der geografischen Verteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten auf die verschiedenen Staaten zu geben. Die CbCR werden im Wege des automatischen Informationsaustausches mit den Steuerverwaltungen anderer Staaten geteilt, soweit diese Staaten ein entsprechendes völkerrechtliches Abkommen geschlossen haben. Deutschland tauscht Informationen über länderbezogene Berichte mit 78 Staaten aus. Der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgt auf der Grundlage der Richtlinie (EU) 2016/881 vom 25. Mai 2016 (DAC 4) zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie (2011/16/EU). Darüber hinaus werden auf Ebene der Europäischen Union derzeit Maßnahmen diskutiert, um entsprechende Informationen auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Quelle: Bundesministerium der Finanzen