In unserer Beitragsreihe „Die Grundlagen der Verrechnungspreise“ beleuchten wir die Grundlagen der Verrechnungspreise und geben einen ersten Überblick über das Thema.
verständlich. einfach. praxisnah.
Unsere Kurzbeiträge richten sich sowohl an Interessierte mit ersten Berührungspunkten zum Thema Verrechnungspreise als auch an erfahrene Verrechnungspreispraktiker. Nach einem Einstieg in die Grundlagen und Begrifflichkeiten tauchen wir im weiteren Verlauf der Beitragsreihe zunehmend in Details und praktische Implikationen ein und freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.
—
Unser heutiges Thema: Der Angemessenheitsnachweis
Der Angemessenheitsnachweis
Nachdem wir in den letzten Wochen den Fremdvergleichsgrundsatz, die (inter)nationalen Verrechnungspreisvorschriften sowie die Verrechnungspreisdokumentation näher beleuchtet haben, widmen wir uns im folgenden Beitrag dem Angemessenheitsnachweis.
Aus dem Beitrag zur Verrechnungspreisdokumentation ist in Erinnerung zu rufen, dass die Mitwirkungspflichten deutscher Steuerpflichtiger die sogenannten Aufzeichnungspflichten umfassen. Diese bestehen grundsätzlich aus einer Sachverhaltsdokumentation und einer Angemessenheitsdokumentation.
Die Angemessenheitsdokumentation (konkret die Führung des Nachweises der Angemessenheit für die vorliegenden Geschäftsvorfälle) ist Gegenstand dieses Beitrags, jedoch ist für das grundsätzliche Verständnis notwendig zu wissen, dass die Verrechnungspreisdokumentation als Ganzes aus einer Kombination dieser beiden (Teil-)Bereiche besteht und die Angemessenheitsanalyse auf den Inhalten der Sachverhaltsdokumentation aufbaut.
Im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation werden die Geschäftsvorfälle sowie deren Umfang beschrieben. Ebenso wird bereits eine Funktions- und Risikoanalyse durchgeführt. Diese umfasst eine Darstellung der im Rahmen der Geschäftsbeziehungen ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken, der eingesetzten wesentlichen Vermögenswerte, der gewählten Geschäftsstrategien sowie der für die Besteuerung relevanten Markt- und Wettbewerbsverhältnisse.
Erst auf dieser Grundlage ist es möglich, die im Folgenden dargestellte Angemessenheitsanalyse (Grundlage für den Angemessenheitsnachweis) durchzuführen. Aus praktischer Sicht erfolgt die Angemessenheitsanalyse immer in den folgenden drei Schritten:
- Schritt: Unternehmenscharakterisierung
- Schritt: Begründung und Auswahl der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode (Methodendiskussion)
- Schritt: Anwendung der ausgewählten Verrechnungspreismethode(n)
Bevor auf die einzelnen Schritte im Detail eingegangen wird, sollen einige allgemeine Hinweise zur Angemessenheitsanalyse gegeben werden, die für alle Schritte gleichermaßen gelten.
Grundsätzlich ist die Angemessenheitsanalyse auf Transaktionsbasis durchzuführen. Dies bedeutet, dass Unternehmen, die mehrere Liefer- und Leistungsbeziehungen mit ausländischen Konzerneinheiten haben (z.B. konzerninterne Dienstleistungen und Finanztransaktionen), auch mehrere Angemessenheitsanalysen durchführen und dokumentieren müssen. Es ist möglich, die Angemessenheit mehrerer Transaktionstypen aggregiert zu prüfen. Ein praktisches Beispiel sind Dienstleistungen, die eng mit der Bereitstellung immaterieller Werte verbunden sind (z.B. Franchise). In solchen Fällen kann es wirtschaftlich sinnvoll (und fremdüblich) sein, die Angemessenheitsanalyse auf aggregierter Basis durchzuführen. Dabei gilt: Je enger die Geschäftsvorfälle miteinander verbunden sind, desto eher kommt eine Angemessenheitsanalyse auf aggregierter Basis in Betracht.
Des Weiteren ist der Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung und der Angemessenheitsanalyse (falls zeitlich auseinanderliegend) darzustellen. Im Rahmen der Angemessenheitsanalyse bedeutet dies, dass die Informationen zum Zeitpunkt der Analyse relevant sind. In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass Angemessenheitsanalysen erst zu einem späteren Zeitpunkt erstellt werden, z.B. im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung. Darüber hinaus gibt es auch Verrechnungspreismethoden, deren Anwendung regelmäßig erst im Nachhinein erfolgt (z.B. die transaktionale Nettomargenmethode; kurz: TNMM). Auf die einzelnen Verrechnungspreismethoden, ihre Anwendungsfälle und Besonderheiten werden wir in den kommenden Wochen in unserer Beitragsreihe eingehen.
Die Unternehmenscharakterisierung
Um Missverständnisse zu vermeiden, sei einleitend darauf hingewiesen, dass die „Unternehmenscharakterisierung“ nicht notwendigerweise den Wertschöpfungsbeitrag des gesamten Unternehmens umfassen muss, sondern transaktional zu verstehen ist. Es gibt Fälle, in denen diese Unterscheidung nicht notwendig ist. Dies ist der Fall, wenn ein Unternehmen nur eine Art von Transaktion durchführt – ein klassisches Beispiel ist ein IT-Dienstleister, sofern dieser keine weiteren wirtschaftlichen Aktivitäten ausübt. Bei Unternehmen, die mehrere wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben (z.B. Produktion und Vertrieb), ist eine Unternehmenscharakterisierung für jeden Transaktionstyp erforderlich.
Im Kern ist eine Unternehmenscharakterisierung nichts anderes als das Fazit der für den betrachteten Geschäftsvorfall (die Transaktion) durchgeführten Funktions- und Risikoanalyse. Dabei wird in im Grundsatz zwischen dem sogenannten Strategieführer (auch als Entrepreneur bezeichnet) und einem Routineunternehmen unterschieden. Diese doch sehr binäre Unterscheidung wird vielen Geschäftsvorfällen und möglichen Ausprägungen der ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten Vermögenswerte oft nicht gerecht. Daher gibt es auch feinere Abstufungen, die für die nachfolgenden Schritte der Angemessenheitsanalyse von entscheidender Bedeutung sind. Dies soll am Beispiel von Vertriebseinheiten innerhalb eines Konzerns verdeutlicht werden. Je nach Ausprägung des Funktions- und Risikoprofils der Vertriebseinheit kann es sich um einen Eigenhändler, eine risikoarme Vertriebsgesellschaft oder einen Kommissionär handeln. Auf die Unterschiede zwischen den vorgenannten Ausprägungen von Vertriebsunternehmen gehen wir in einem gesonderten Beitrag zu einem späteren Zeitpunkt ein.
Die Methodendiskussion
Die Auswahl der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode („Verrechnungspreismethode dem Grunde nach“) erfolgt in Abhängigkeit vom Ergebnis der Unternehmenscharakterisierung. So sind einzelne Verrechnungspreismethoden in bestimmten Fällen überhaupt nicht anwendbar oder nicht plausibel. Handelt es sich z.B. um einen Strategieführer (Entrepreneur) mit eigenen Marktrisiken, ist eine Vergütung auf Basis der Kostenaufschlagsmethode nicht sinnvoll. Umgekehrt sind Routineunternehmen regelmäßig nicht am Residualgewinn beteiligt, so dass die Gewinnaufteilungsmethode keine Anwendung findet.
Wichtig bei der Methodendiskussion im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation ist, dass nicht nur die (beste) Eignung der gewählten Verrechnungspreismethode dargestellt wird, sondern ebenso in einem kurzen Exkurs erläutert wird, warum die anderen Verrechnungspreismethoden nicht oder weniger gut geeignet sind, um eine fremdübliche Vergütung zu ermitteln.
Die Anwendung der ausgewählten Verrechnungspreismethode
Die Anwendung der im vorherigen Schritt als am besten geeignet ausgewählten Verrechnungspreismethode („Verrechnungspreismethode der Höhe nach“) ist dann wieder eine Wissenschaft für sich. In den folgenden Beiträgen werden wir die einzelnen Verrechnungspreismethoden näher beleuchten und auch praktische Hinweise und Erfahrungen teilen.
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass im Rahmen der Angemessenheitsanalyse bzw. der Angemessenheitsdokumentation die sachgerechte Anwendung der Verrechnungspreismethode darzustellen ist. Darüber hinaus sind die Ergebnisse der Anwendung der Verrechnungspreismethode in Relation zu den angewandten Verrechnungspreisen zu setzen, um eine Würdigung vornehmen zu können.
In unserem nächsten Beitrag: Die geschäftsvorfallbezogenen Standardmethoden