Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022

OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen 2022 - Ein Überblick

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist eine internationale Organisation, die sich für eine bessere Politik und ein besseres Leben einsetzt. Das Ziel der OECD ist eine Politik, die Wohlstand, Gleichheit, Chancen und Wohlergehen für alle fördert.

Die OECD arbeitet mit Regierungen, politischen Entscheidungsträgern und Bürgern zusammen, um evidenzbasierte internationale Standards zu schaffen und Lösungen für eine Reihe sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen zu finden. Von der Verbesserung der Wirtschaftsleistung und der Schaffung von Arbeitsplätzen bis hin zur Förderung einer soliden Bildung und der Bekämpfung der internationalen Steuerflucht bietet die OECD ein einzigartiges Forum für den Austausch von Erfahrungen, die Weitergabe bewährter Verfahren und die Beratung bei der Politikgestaltung und der Festlegung internationaler Standards.

Warum gibt es die OECD-Verrechnungspreisleitlinien?

In einer von multinationalen Unternehmen geprägten globalen Wirtschaft müssen die Staaten sicherstellen, dass die steuerpflichtigen Gewinne dieser Unternehmen nicht künstlich in andere Steuergebiete verlagert werden und dass die von diesen Unternehmen in ihrem Steuergebiet erklärte Steuerbemessungsgrundlage der dort ausgeübten Wirtschaftstätigkeit entspricht. Für die Steuerpflichtigen ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Risiken einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung begrenzt werden. Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen helfen bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, der einen internationalen Konsens für die Bewertung grenzüberschreitender Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen darstellt.

Anwendbarkeit der OECD-Verrechnungspreisleitlinien

Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien sind nicht verbindlich, sondern stellen lediglich Leitlinien und den Versuch einer internationalen Konsensbildung dar. Um eine nationale Verbindlichkeit zu schaffen, müssen die Regelungen der OECD-Verrechnungspreisleitlinien zunächst in nationales Recht umgesetzt werden. Viele OECD-Mitgliedsstaaten haben die Grundsätze der Leitlinien vollständig oder in sehr enger Anlehnung in ihr nationales Recht übernommen.

In Deutschland wurden die OECD-Verrechnungspreisleitlinien als offizieller Anhang in die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise vom 6. Juni 2023 aufgenommen (erstmals in den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise vom 14. Juli 2021). Als solche kommt ihnen eine weitreichende Bedeutung für die internationale Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu. Während die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise für Steuerpflichtige in Deutschland lediglich eine Orientierungshilfe darstellen, sind sie für die deutsche Finanzverwaltung bindend.

Zusammenfassung und Überblick über die Inhalte der OECD-Verrechnungspreisleitlinien von Januar 2022

Die Neuauflage 2022 enthält nun auch die überarbeiteten Leitlinien zur Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethode, die Leitlinien für Steuerverwaltungen zur Anwendung des 2018 vereinbarten Ansatzes für schwer zu bewertende immaterielle Werte sowie die 2020 verabschiedeten neuen Verrechnungspreisleitlinien für Finanztransaktionen. Auch im übrigen Text der OECD-Verrechnungspreisleitlinien wurden Änderungen vorgenommen, um die Gesamtkohärenz zu verbessern. Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien wurden 1995 in ihrer ursprünglichen Fassung vom Rat der OECD angenommen.

Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien sind in 10 Kapitel unterteilt:

Kapitel I: Der Fremdvergleichsgrundsatz

Beschreibung des Fremdvergleichsgrundsatzes sowie der Abgrenzung von Transaktionen und der Risikoanalyse (erstmals 2017 in den OECD-Verrechnungspreisleitsätzen eingeführt)

Kapitel II: Verrechnungspreismethoden

Beschreibung der Verrechnungspreismethoden, die der Steuerpflichtige unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als am besten geeignet auswählen und anwenden soll. In diesem Kapitel wird auch zwischen geschäftsvorfallbezogenen Standardmethoden und geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden unterschieden.

Kapitel III: Vergleichbarkeitsanalyse

Allgemeine Hinweise zum Begriff der Vergleichbarkeit, zur Durchführung von Vergleichbarkeitsanalysen, zu Zeitfragen der Vergleichbarkeit sowie Fragen der Befolgung und Mitwirkung

Kapitel IV: Verwaltungsansätze zur Vermeidung und Beilegung von Verrechnungspreiskonflikten

Behandlung der Verfahren zur Sicherstellung der Einhaltung der Verrechnungspreisvorschriften, Gegenberichtigungen und Verständigungsverfahren nach den Artikeln 9 und 25 des OECD-Musterabkommens sowie möglicher weiterer Verfahren (bspw. Simultanbetriebsprüfungen, Vorabverständigungsverfahren oder Schiedsverfahren).

Kapitel V: Dokumentation

Beschreibung der Ziele der Anforderungen an die Verrechnungspreisdokumentation, des dreistufigen Ansatzes für die Verrechnungspreisdokumentation (Master File, Local File und Country-by-Country Report), Diskussion von Fragen im Zusammenhang mit der Befolgung und Mitwirkung (Compliance) sowie der Umsetzung.

Kapitel VI: Besondere Überlegungen bezüglich immaterieller Wirtschaftsgüter

Bestimmung der immateriellen Werte, Einführung der DEMPE-Funktionen (Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung, Schutz und Verwertung) zur Diskussion von Ansprüchen auf Konzernerträge aus der Verwertung immaterieller Werte sowie Diskussion von Verrechnungspreismethoden zur Ermittlung fremdüblicher Vergütungen im Kontext immaterieller Werte.

Kapitel VII: Besondere Überlegungen bezüglich konzerninterner Dienstleistungen

Darstellung der Bedeutung und Problematik konzerninterner Dienstleistungen sowie der relevanten Aspekte bei der Ermittlung fremdüblicher Verrechnungspreise für die Vergütung erbrachter Leistungen und deren Abgrenzung hinsichtlich der Wertschöpfungsbeiträge verschiedener Dienstleistungen.

Kapitel VIII: Kostenumlagevereinbarungen

Definition des Begriffs der Kostenumlagevereinbarung, Diskussion der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Zusammenhang mit Kostenumlagevereinbarungen sowie Empfehlungen zur Gestaltung und Dokumentation von Kostenumlagevereinbarungen.

Kapitel IX: Verrechnungspreisaspekte bei Umstrukturierungen der Geschäftstätigkeit

Beschreibung des Anwendungsbereichs und des theoretischen Rahmens für die Anwendung von Artikel 9 des OECD-Musterabkommens. Erläuterungen zur fremdvergleichskonformen Vergütung für die Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit als solche sowie zur Vergütung für konzerninterne Transaktionen nach einer Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit.

Kapitel X: Verrechnungspreisaspekte von Finanztransaktionen

Erläuterungen zur fremdüblichen Vergütung von konzerninternen Finanztransaktionen, einschließlich Darlehen, Cash Pools und Finanzgarantien, sowie der Treasury-Funktion.

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