Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise vom 6. Juni 2023

Das BMF hat die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise am 6. Juni 2023 angepasst.

Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023

Das BMF hat die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise am 6. Juni 2023 angepasst. Schwerpunkte der Neufassung sind die Regelungen zu Funktionsverlagerungen sowie grenzüberschreitenden Konzernfinanzierungen.

Mit den „Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise“ (VWG VP) hat das Bundesfinanzministerium 2021 begonnen, die wichtigsten BMF-Schreiben in diesem Bereich zusammenzufassen, zu erläutern und auf bestehende Schreiben zu verweisen. Das BMF hat dieses zentrale Nachschlagewerk in Reaktion auf die Neufassung der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) und die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur grenzüberschreitenden Konzernfinanzierung überarbeitet. Darüber hinaus werden im Schreiben „Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023“ (VWG VP 2023) vom 6. Juni 2023 nur punktuelle Anpassungen vorgenommen und die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2022 als Anlage beigefügt. Der Verweis auf die OECD bedeutet eine begrüßenswerte internationale Ausrichtung und Orientierung an diesen Grundsätzen. Leider sollen diese aber nur „ergänzend“ zu den nationalen Grundsätzen herangezogen werden. Die VWG VP 2023 stellen laut BMF weitergehende Konkretisierungen dar, die für die Verwaltung – nicht für die Steuerpflichtigen – Bindungswirkung entfalten, und zwar für alle offenen Fälle und damit auch rückwirkend, mit Ausnahme der Ausführungen zur Funktionsverlagerung.

  1. Änderungen im Kontext von Funktionsverlagerungen

Mit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) hat der Gesetzgeber die bisherige Vorschrift zur Funktionsverlagerung mit Wirkung zum 1. Januar 2022 im neuen § 1 Abs. 3b AStG verankert und das Transferpaket erstmals gesetzlich definiert. Wesentliche Verschärfungen bestehen in der Erweiterung der Tatbestandsvoraussetzungen. Eine Funktionsverlagerung kann nunmehr bereits dann vorliegen, wenn „eine Funktion einschließlich der mit ihr verbundenen Chancen und Risiken sowie der mit ihr übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter oder [zuvor: und] sonstiger Vorteile übertragen […]“ wird. Darüber hinaus hat der Steuerpflichtige nur noch die Möglichkeit, von einer Gesamtbewertung des Transferpakets abzusehen, wenn er glaubhaft macht, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren (z.B. Routinefunktionen). Die beiden anderen bisher zur Verfügung stehenden Escape-Klauseln entfallen. Als Reaktion auf die geänderte Rechtslage hat der Gesetzgeber die Funktionsverlagerungsverordnung mit Wirkung zum 1. Januar 2022 neu gefasst. Dabei wurden auch einige Verschärfungen aufgenommen, die über das durch die Gesetzesänderung erforderliche Maß hinausgehen:

  • Bei der Ermittlung des Einigungsbereichs werden die steuerlichen Auswirkungen berücksichtigt, die sich aus der Funktionsverlagerung selbst ergeben.
  • Bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes sowohl für das übernehmende als auch für das verlagernde Unternehmen ist der Risikozuschlag anhand von Fremdvergleichsfällen zu ermitteln. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige marktübliche Zinssätze zu ermitteln hat und nicht mehr ohne weiteres auf unternehmensinterne Daten zurückgreifen kann.
  • Anstelle der bisher geforderten Glaubhaftmachung tritt in § 5 FVerlV (Kapitalisierungszeitraum) und § 7 Satz 2 FVerlV (Schadensersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche) eine Nachweispflicht. Im Ergebnis wird eine Beweislast eingeführt, die nicht den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen entspricht. Auch nach § 1 Abs. 3b AStG genügt z.B. die Glaubhaftmachung für den Nachweis, dass die verbleibende Escape-Regelung erfüllt ist.
  • 4 Abs. 2 FVerlV, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung auszugehen ist, wenn Zweifel bestehen, ob hinsichtlich des Transferpakets oder einzelner Teile eine Veräußerung oder eine Nutzungsüberlassung anzunehmen ist, wird ersatzlos gestrichen.

Aufgrund dieser Änderungen hat das BMF seine Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung angepasst und in die VWG VP 2023 aufgenommen.

Im Zuge der Überarbeitung hat das BMF auch die Bagatellgrenze bei der Funktionsverdoppelung gestrichen. Bei einem Umsatzrückgang aus der Funktion von weniger als 1 Mio. Euro beim übertragenden Unternehmen lag bisher nach Verwaltungsauffassung keine Funktionsverlagerung, sondern lediglich eine Funktionsverdoppelung vor.

DEMPE-Konzeptes im Kontext Funktionsverlagerungen

Auch das DEMPE-Konzept (DEMPE: Development, Enhancement, Maintenance, Protection and Exploitation) wird explizit aufgenommen. So nennt das BMF in den aufgeführten Funktionsbeispielen auch die Wahrnehmung von Risikokontroll- und DEMPE-Funktionen. Damit dürfte sich die Zahl der Fälle, in denen die Finanzverwaltung eine Funktionsverlagerung annimmt, deutlich erhöhen.Dazu passt, dass nach der VWG VP 2023 zwar eine Personalentsendung innerhalb eines Konzerns als solche in der Regel keine Funktionsverlagerung darstellt, eine solche aber z.B. dann vorliegt, „wenn das entsandte Personal seinen bisherigen Verantwortungsbereich aus dem entsendenden Unternehmen mitnimmt und im aufnehmenden Unternehmen die gleiche Tätigkeit ausübt“.

Kündigungswahrscheinlichkeiten

Darüber hinaus äußert sich die Verwaltung zur Berücksichtigung von Kündigungswahrscheinlichkeiten bei Funktionsabschmelzungen. Bei der Abschmelzung von im Inland verbleibenden Routinefunktionen sind die vereinbarten Kündigungsklauseln nach den Grundsätzen der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2022 zu prüfen. Praktische Erfahrungswerte aus steuerlichen Außenprüfungen zeigen, dass dieses Thema an Bedeutung gewinnt.

Preisanpassungsklausel

Mit dem AbzStEntModG wurde die Preisanpassungsklausel in Anlehnung an die BEPS Initiative angepasst und in § 1a AStG gesetzlich verankert. Gemäß § 1a AStG wird in Fällen der Übertragung eines wesentlichen immateriellen Werts der angemessene Anpassungsbetrag im achten Jahr nach Geschäftsabschluss besteuert, wenn innerhalb von sieben Jahren nach Geschäftsabschluss die tatsächliche Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnerwartung abweicht und keine Preisanpassungsklausel vereinbart wurde, die unabhängige Dritte vereinbart hätten. Eine erhebliche Abweichung liegt vor, wenn der der tatsächlichen Gewinnentwicklung zugrunde liegende Fremdvergleichspreis um mehr als 20 Prozent von diesem Verrechnungspreis abweicht.

  1. Änderungen im Kontext von Finanzierungsbeziehungen

Konzerninterne Darlehen

Hinsichtlich der Finanzierungsbeziehungen greift das BMF in den neuen Verwaltungsgrundsätzen die Rechtsprechung des BFH zur Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinsen bei Konzerndarlehen auf (Urteile vom 18. Mai 2021, I R 4/17 und vom 13. Januar 2022, I R 15/21).

Im ersten Urteil stellte das oberste Steuergericht fest, dass sich der Zinssatz nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Darlehensnehmers und nicht des Darlehensgebers richtet und die Preisvergleichsmethode vorrangig vor der Kostenaufschlagsmethode anzuwenden ist. Der Vorrang der Preisvergleichsmethode gelte auch dann, wenn diese erst nach einer Anpassungsrechnung anwendbar sei. Eine Beschränkung auf einen risikolosen Zinssatz sei ebenfalls nicht vorzunehmen.

Im Rahmen der zweiten BFH-Entscheidung stellten die Richter klar, dass bei der Vergabe von unbesicherten Darlehen die Vereinbarung von unbesicherten Darlehen unter Berücksichtigung eines Risikoausgleichs fremdüblich sein kann, wenn ein entsprechender Markt für unbesicherte Darlehen feststellbar ist. In den VWG VP 2023 wird nun explizit darauf hingewiesen, dass eine fehlende Besicherung fremdüblich sein kann. Dabei sind laut BMF grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls sowie die Handlungsalternativen zu berücksichtigen.

Cash-Pools

Das BMF verweist im Kontext Cash Pools explizit auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022. Damit besteht grundsätzlich Übereinstimmung in Bezug auf Cash Pools, insbesondere hinsichtlich der Auffassung, dass ein Cash Pool-Leader im Regelfall nur einen Routine-Kostenaufschlag erzielen sollte. Im Gegensatz zur OECD lässt das BMF jedoch keinen Spielraum für einen Cash-Pool-Leiter, der Soll- und Habenzinsaufschläge verdient.

Kurze Zusammenfassung

  • Als Reaktion auf die Neufassung der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) und die Rechtsprechung des BFH zur grenzüberschreitenden Konzernfinanzierung hat das BMF die “Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise” (VWG VP) überarbeitet.
  • Die VWG VP 2023 sind laut BMF verbindliche Konkretisierungen für die Verwaltung, nicht für die Steuerpflichtigen. Sie gelten mit Ausnahme der Ausführungen zur Funktionsverlagerung rückwirkend für offene Fälle.
  • Steuerpflichtige sollten sich zeitnah mit den Änderungen auseinandersetzen und mögliche Auswirkungen im Detail prüfen.

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